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Wer heutzutage Eisenbahnfotografie
betreibt, und mehr als nur Lokportraits aufnehmen will, der begibt sich
zumeist in die Natur, sucht eine landschaftlich reizvolle Stelle und
harrt dort der Dinge, die da kommen. Elektro- und Dieselloks lassen die
Leistung, die sie entfalten, selten wahrnehmen, bestenfalls hören, aber
fotografieren kann man sie nicht. Niemand käme daher auf die Idee, das
Objektiv der Kamera an einem kalten, grauen Wintertag in einen
Rangierbahnhof zu richten, um dort die Ausfahrt einer Diesellok in
einer Bildserie zu fotografieren. Und wen interessiert heute noch die
Windrichung?
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Zu Dampfzeiten setzten die Eisenbahnfreunde mitunter andere
Prioritäten. Jede Anfahrt bot ein mehr oder weniger einmaliges
optisches und akustisches Schauspiel, das natürlich um so interessanter
zu werden versprach, je länger der Zug war. Wenn - so wie in Betzdorf -
Bahnhof und Bahnbetriebswerk direkt beeinander lagen, dann stieg die
Spannung schon, wenn die Zuglok aus dem Schuppen kam, gedreht wurde,
und in den Rangierbahnhof rollte, und wuchs weiter, während der Heizer
das Feuer aufbaute.
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Wir schreiben den 29. Dezember 1973. 052 286-2 vom Bw Betzdorf hat im
dortigen Rangierbahnhof den Ng 17163 nach Würgendorf bespannt. Gewiß
nicht die bedeutendste Güterzugleistung im weiten Netz der DB, aber
wagenladungsmäßig ist auch kurz vor Jahresende einigs zusammengekommen.
Er ist
lang, 92 Achsen wurden gezählt, es werden also wohl schätzungsweise
1500 t Zuggewicht zusammengekommen sein, vielleicht auch mehr, in jedem
Fall eine ordentliche Fuhre für eine 50er. Während der Heizer sein
Feuer aufbaut, steigt der Rauch fast kerzengerade nach oben - kein
störender Wind. Um 12.38 Uhr sirren die Drähte, Weichenzungen klacken,
und geräuschvoll geht das Ausfahrsignal für den Weg durch
die Weichenstraße in Stellung Hp 2.
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Die zwei von der Lok verstehen ihr Handwerk. Kein Qualmen, das Feuer
ist gut durchgebrannt. Zur Wagenlast kommt der erhöhte
Anfahrwiederstand im Gleisbogen, und der steil aufsteigende Dampfpilz
und die weite Fahne des Zylinderabdampfs verraten, daß der Regler weit
geöffnet werden mußte. Die 50er fährt an der Reibungsgrenze und verläßt
Betzdorf mit tosenden Auspuffschlägen, untermalt vom Zischen der
Zylinderhähne. Ich überlasse es der Phantasie des Betrachters, sich den
akustischen Eindruck dazu vorzustellen.
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