v
Blick nach
Frankreich 1970
|
v
|
Im
August 1970 brachte mich der Familienurlaub über Paris in die
Normandie. Meine Kenntnisse über den Eisenbahnbetrieb, die
Triebfahrzeuge und ihre Stationierungen waren ebenso bescheiden wie die
Fotoausrüstung, die zur Verfügung stand. Zudem war das Eisenbahnhobby
nicht der Grund der Reise. Fotos entstanden, wo sich Gelegenheit bot,
meist in minderer Qualität und ohne besondere Berücksichtigung
fotografischer Grundsätze.
Bekannt war mir aber, daß es im Netz der SNCF noch Dampfloks gab.
Insbesondere das Lok Magazin hatte etliche Aufsätze über französiche
Dampflokomotiven veröffentlicht, diese gaben Anhaltspunkte. Bei einer
Gelegenheit ergab sich ein mit bescheidenen französischen
Sprachkenntnissen geführtes Gespräch mit einem Lokführer,
der den damals einzigen erfolgversprechenden Tip gab: Im Depot
Reims sollten noch welche im Einsatz sein. So wurde schließlich Reims
angesteuert - mit Erfolg.
Wie oben bereits erwähnt, ist die Qualität der Aufnahmen nicht sehr
gut, zudem haben die Filme alterbedingte Veränderungen. Bei der Auswahl
der Aufnahmen stand daher im Vordergrund, jene Bilder - soweit möglich
- digital aufzuarbeiten, die zumindest eisenbahnhistorisch interessant
sind, und die entsprechenden Informationen - soweit sie verfügbar sind,
beizusteuern.
Seinerzeit wusste ich oft nur wenig über die fotografierten Loks und
Triebwagen, manche Information erhielt ich in den folgenden Jahren, und
auf manche Einzelheit bin ich erst bei den Recherchen für diese
Galerie gestoßen. Sollte ein Leser dieser Seite zusätzliche
Informationen haben oder Fehler entdecken, bin ich für eine aufklärende
E-Mail dankbar.
Erfreulicherweise wurden auch in Frankreich viele der Baureihen, die in
dieser Galerie zu sehen sind, museal erhalten. Betriebsfähige 141 R und
140 C gibt es mehrere, ebenso wurden Exemplare der Baureihen 12000 und
62000 erhalten. Die anderen großen Streckendiesel- und Elektroloks
stehen zur Zeit - im August 2005 - noch verschiedentlich im Einsatz.
Bekanntlich hat sich auch bei den französischen Eisenbahnen vieles
verändert, nicht zuletzt die Lackierung und die Beschilderung der
Lokomotiven.
|
|
|
|
Galerieübersicht
|
St. Brieux
|
|
01
|
|
In St. Brieuc an der Strecke von Tours nach Brest läuft eine CC 72000 mit einem Güterzug ein (soweit
erkennbar, CC 72038). Das Design dieser mächtigen Diesellok, das auf den künstlerischen Berater
der SNCF, P. Arzens, zurückgeht, fasziniert auch heute noch. 2650 kW / 3600 PS und 160 km /h Höchstgeschwindigkeit
sind bestenfalls mit der V 320 der DB vergleichbar, jedoch verfügt die CC 72000 über
dieselelektrischen Antrieb.
|
|
|
|
|
|
02
|
|
Ebenfalls in St. Brieuc rangiert die Y 7109, ein zweiachsiger Rangierdiesel, oder französisch:
Locotracteur. Der Rangierer trägt - für uns ungewohnt
- keine Warnkleidung und keinen Helm - und steht dafür mit französicher
Nonchalance im Fahrtwind. Der Kühlwagen im Hintergrund war auch 1970 kein
alltäglicher Anblick mehr.
|
|
|
|
Depot Reims
|
|
03
|
|
Beim Besuch des Bw Reims sticht zuerst eine Diesellok ins Auge: Baldwin lieferte 1946/47
100 dieser dieselelektrischen Mehrzweckloks, in den USA als "road-switcher" bezeichnet.
Ursprünglich wurden sie als Reihe 040 DA bezeichnet, jetzt als Reihe A1A A1A 62000.
Diese hier hat die Ordnungsnummer 62055. In keiner Relation zu heute stehen die technischen Details:
Ein 6-Zylinder-Diesel mit 200 Litern Hubraum und 660 PS diente als Kraftquelle der
robusten Art. Die Loks wurden von der SNCF im Rahmen des Marshall-Plans beschafft, eine
Legende besagt, dass die SNCF die Loks nie bezahlt habe.
|
|
|
|
|
|
04
|
|
Ebenfalls über den Marshall-Plan kamen die 141 R Ende der 1940er Jahre nach Frankreich.
Für "les américaines", wie sie in Frankreich gerne bezeichnet wurden, ist die Zeit bereits >
abgelaufen. Der ursprüngliche grün-schwarze Anstrich mit roten Zierlinien, wie er beim Depot
Reims üblich war, ist schon deutlich dem Braun rostenden Stahls gewichen. Im Bild 141 R 142.
|
|
|
|
|
|
05
|
|
In einer langen Reihe warten die 141 R auf den Schneidbrenner. 8 Loks habe ich seinerzeit notiert,
die Nummern aber nicht aufgeschrieben. Die erste ist wieder 141 R 142, wie am
Tender lesbar ist. Bei der SNCF hatten Tender eine eigene Nummer, die den
Wasserkasteninhalt angab, und im übrigen die gleiche Ordnungsnummer hatte, hier
also 30 R 142. Alle hier abgestellten Loks haben Kohlefeuerung.
|
|
|
|
|
|
06
|
|
141 R 413 ist noch unter Dampf, aber - soweit äußerlich zu beurteilen - in einem äußerst
ungepflegten Zustand. Gut zu sehen ist der Boxpok-Treibradsatz, sowie die Ausführung aller Laufrad- und
Tenderradsätze als Scheibenräder, auch sonst ist der US-amerikanische Baustil unübersehbar. Lediglich die
Windleitbleche sind ein äußerliches Zugeständnis an europäische Wünsche.
Einzigartig ist bei der 141 R allerdings das dreieckige Blech oben an der Rauchkammer,
das einzig und allein der Anbringung eines Schiffhebebaumes bei der Schiffsverladung diente!
|
|
|
|
|
|
07
|
|
Noch ein mal 141 R 413 aus einer anderen Perspektive. Die Lok entspricht den frühen Bauserien
mit Barrenrahmen, Kohlefeuerung und Gleitlagern an Treib- und Kuppelstangen. Die Konstruktion
der 141 R geht zurück auf eine Konstruktion der USRA aus den Jahren 1918/19 für
eine leichte Mikado, der nur überarbeitet wurde. Vom Reißbrett weg mußte 1946 der Serienbau begonnen
werden. Die US-Lokfabriken Baldwin, Alco und Lima lieferten insgesamt 1340 Lokomotiven, nur
1323 erreichten französische Gleise, 17 endeten auf dem Meeresgrund.
|
|
|
|
|
|
08
|
|
2186 kW / 2929 PS und 242 kN Zugkraft vermochte eine kohlegefeuerte 141 R zu leisten, ein 800t Wagenzug
konnte in der Ebene mit 110 km/h befördert werden. Zahlen, die es den Konstrukteuren von Dieselloks nicht leicht
gemacht haben, einen adäquaten Ersatz auf die Schienen zu stellen. Es verwundert daher nicht, daß viele
Streckendieselloks der SNCF bereits mit Einrichtungen für Mehrfachtraktion geliefert wurden. Am
1. 8. 1970 waren noch 563 Exemplare der 141 R in den Diensten der SNCF, davon 279 mit Ölfeuerung.
|
|
|
|
|
|
09
|
|
040 TX 58 ist unverkennbar eine Lok aus aus der deutschen ELNA-Baureihe*), vom Typ ELNA 6. Hinter dieser Bezeichnung
verbirgt sich eine D h2 mit 14 t Achslast. Auffällig ist der Behälter mit Druckmanometer hinter dem
Schornstein, von dem eine Leitung in Richtung Zylinder führt. Dahinter steht 140 C 221.
*) ELNA = Engerer
Lokomotiv-Normen-Ausschuß. In den 1920er Jahren schuf dieser Ausschuß
der dt. Lokomotivindustrie eine Reihe von insgesamt 6 vereinheitlichten
Tenderlok-Typen, gedacht für private deutsche Neben- und Kleinbahnen.
|
|
|
|
|
|
10
|
|
040 TX 58 in der Rückansicht. Die Lok ist vermutlich ausgemustert
oder für die Ausmusterung vorgesehen. Sie entstammt einer Serie von 67
Lokomotiven, deren Bau auf einen Auftrag des deutschen
Rüstungsministerium im Jahr 1944 zurückgeht. Obwohl sie nie auf deutschen Gleisen gefahren
ist, hat man sie nicht auf Linkssteuerung umgebaut.
|
|
|
|
|
|
11
|
|
140 C 277 und ihre dahinter stehende Schwesterlok sind ebenfalls kalt
abgestellt, und womöglich bereits ausgemustert. Die 140 C wurden
zwischen 1913 und 1920 in 340 Exemplaren beschafft. Mit 1400 PS und 80
km/h war diese 1'D h2-Bauart vielseitig verwendbar, die letzten konnten
sich bis 1975 im Dienst halten. Diese Baureihe war damit nicht
weniger als 62 Jahre im Einsatz.
|
|
|
|
|
|
12
|
|
Unser freundlicher französischer Begleiter durch das Depot Reims
posiert hier vor einem Dieseltriebwagen der Reihe X 3800, und zwar dem X 3819.
Für uns ungewohnt ist die Anordnung des Führerstandes in Form einer
Kanzel auf dem Dach. Es ist deutlich zu erkenne, daß sich hinter den
Frontfenstern lediglich die Maschinenanlage befindet.
|
|
|
|
|
|
13
|
|
Leider ist dieses schlechte Bild die einzige verfügbare Aufnahmen, die
die Triebwagen (frz.: autorail) zu Gänze zeigt. Autorail Picasso wurden
die X3800 auch genannt, mit 265 kW / 360 PS, 120 km/h Höchstgeschwindigkeit und
62 Sitzplätzen bieten sie doch mehr Einsatzmöglichkeit als die
deutschen Schienenbusse. 1988 schieden die letzten von ehemals 250
Exemplaren aus dem Dienst.
|
|
|
|
|
|
14
|
|
Noch einmal ein "lokotracteur" im Depot Reims. 150 Exemplare wurden
zwischen 1953 und 1956 gebaut, und war bis 1985 im Einsatz bei der
SNCF. Im Bild Y51236. Die Reihe Y 51100 entspricht der Baureihe V 45 der DB.
|
|
|
|
|
|
15
|
|
BB 16737, daneben BB 16636 sowie am linken Rand nochmal 040 TX 58. Wie an vielen Loks der SNCF fällt auch hier auf,
mit welchem Aufwand die SNCF ihre Triebfahrzeuge traditionell lackierte und beschilderte. Knapp 300
Exemplare der Reihe BB 16500 lieferte Alsthom zwischen 1957 und 1964 an die SNCF. 2430 kW / 3300 PS und
140 km/h sind nicht unbedingt Daten, die beeindrucken, sprechen aber für solide Technik.
|
|
|
|
|
|
16
|
|
BB 12147 und BB 16699 sind hier zu sehen. Die BB 12147 im Vordergrund gehört der dritten Bauserie an,
die als fortschrittliches Konstruktionselement über Siliziumgleichrichter verfügt. Verläßliche
Leistungsdaten zu BB 12000 konnte ich bislang keine recherchieren.
|
|
|
|
|
|
17
|
|
68507 ist soeben im Depot Reims eingetroffen. Diese dieselelektrische Lokbaureihe A1AA1A 68500
wurde 1963-67 gebaut und hat eine Leistung 1645 kW / 2235 PS. 68507 hat noch die originalen
trapezförmigen Seitenfenster, die nur Loks der ersten Bauserie aufwiesen. Die später nachgerüsteten
roten Schlußleuchten an den Stirnseiten fehlen ebenfalls noch. Der im Bild vordere Führerstand
ist übrigens der Führerstand 2, also sehen wir die Lok "von hinten". Links steht BB 16634,
hinter der Lok die beiden Elloks von Bild 16.
|
|
|
|
Reims Hbf
|
|
18
|
|
BB 66152 steht mit einem Vorortzug abfahrbereit im Bahnhof Reims. Die
Baureihe BB 66000 und ihrer Unterbauarten kann man getrost als das französische Pendant
zur V100 der DB betrachten. Ab 1959 baute die SNCF über 400 Exemplare mit einer Leistung
von 830 bzw. 890 kW, dieselelektrischem Antrieb und 120 km/h Höchstgeschwindigkeit.
|
|
|
|
|
|
19
|
|
BB 66166 hat nach der Ankunft mit einem anderen Regionalzug vom Zug
abgekuppelt und wartet auf die Ausfahrt ins Depot.
|
|
|
|
Normandie
|
|
20
|
|
Diese Aufnahme eines Renault-Triebwagens der Reihe ABJ ist ein Bildausschnitt eines
eigentlich mehr oder weniger mißlungenen Fotos. Die Aufnahme entstand an der Strecke
Caen - Cherbourg. Das Besondere an diesem Dieseltriebwagen ist sein Alter, weswegen
dem Bild einen gewisser Seltenheitswert zukommt: Er entstammt der ersten Bauserie der
1930er Jahre. Spätere Bauserien hatten Dachaufbauten und größere Kühler. Die Lackierung war
rot-beige.
|
|
|
|
|
|
21
|
|
Und
zuletzt noch ein Alltagsbild Bild derselben Strecke. BB 63596, eine von
ca. 800 leichteren Mehrzweck-Dieselloks der SNCF, bespannt hier einen
Personenzug, aufgenommen vor der Abfahrt in Carteret, dem Endbahnhof
der Strecke.
|
|
|
|
|
|
|
|
Quellen:
- Lok Magazin Heft 2, 39, 45 (Franckh-Verlag)
- Koenner, ELNA Dampflokomotiven, Münster 1985 (LOK Report)
|
|
|
|
|
|
|
|